Kurzarbeit und Arbeitsrecht (Stand: 26.03.2020)

  1. Kurzarbeitergeld – Beispielrechnung
    • Zum Beantragen von Kurzarbeitergeld müssen zehn Prozent der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (pro Arbeitsplatz, nicht pro Vollzeitkraft) von einem Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent betroffen sein. Auch Betriebe mit nur einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer sind antragsberechtigt. Arbeitnehmer erhalten 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts für die ausfallende Arbeitszeit.
    • Arbeitet der Arbeitnehmer unter Kurzarbeit also nur noch zu 50 Prozent würde sich beispielhaft folgendes ergeben:
    • Die Vergütung wird proportional (hier 50 Prozent) an die Kurzarbeitszeit angepasst. Der Arbeitnehmer erhält zusätzlich das Kurzarbeitergeld, das bei Arbeitnehmern mit Kind aus 67 Prozent und Arbeitnehmern ohne Kind aus 60 Prozent der Nettoentgeltdifferenz besteht. Arbeitnehmer ohne Kind / 50 Prozent Kurzarbeit
      • vorherige Vergütung: reguläres Bruttogehalt: 2.500,00 Euro / netto: ca. 1.700,00 Euro
      • Vergütung bei 50 Prozent Kurzarbeit: reduziertes Nettogehalt (50 Prozent vom vorherigen Bruttogehalt; hier: 1.250,00 Euro): netto ca. 985,00 Euro
      • Kurzarbeitergeld (Nettodifferenz * Leistungssatz i.H.v. 60 Prozent): 1.700,00 Euro abzgl. 985,00 Euro = 715,00 Euro 715,00 Euro * 60 Prozent = ca. 429,00 Euro (Auszahlung erfolgt ebenfalls durch den Arbeitgeber)
      • neue Gesamtvergütung (inkl. Kurzarbeitergeld): 985,00 Euro + 429,00 Euro = 1.414,00 Euro
      • geringeres Nettogehalt für den Arbeitnehmer: 1.700,00 Euro abzgl. 1.414,00 Euro = 286,00 Euro (geringerer Auszahlungsbetrag)
    • Der Arbeitsausfall kann übrigens bis zu 100 Prozent betragen. Die maximale gesetzliche Bezugsdauer beträgt 12 Monate.
    • Zu beachten für Arbeitnehmer ist hierbei jedoch, dass das Kurzarbeitergeld zum Zeitpunkt der Auszahlung „netto“ ist, jedoch im Rahmen der Einkommensteuererklärung im Rahmen des sog. „Progressionsvorbehaltes“ ggfs. zu versteuern ist.
  1. Sozialversicherungsbeiträge und kurzfristige Beschäftigung
    • Unter Umständen besteht die Möglichkeit einer Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen. Danach dürfen Ansprüche auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag dann gestundet werden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für das Unternehmen verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird.
      • Eine erhebliche Härte für das Unternehmen ist gegeben, wenn es sich aufgrund ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet oder im Falle der sofortigen Einziehung der fälligen Sozialversicherungsabgaben in diese geraten würde.
    • Eine Stundung darf allerdings nicht gewährt werden, wenn eine Gefährdung des Anspruches eintreten würde. Das ist der Fall, wenn die Zahlungsschwierigkeiten nicht nur vorübergehend sind oder eine Überschuldung in absehbarer Zeit offensichtlich nicht abgebaut werden kann.
    • Über den Stundungsantrag entscheidet die Krankenkasse als zuständige Einzugsstelle nach pflichtgemäßem Ermessen.
    • Per Kabinettsbeschluss wurde vereinbart, die 70-Tage-Regelung für die kurzfristige sozialversicherungsfreie Beschäftigung bis zum 31.10.2020 auf 115 Tage auszudehnen.

Kurzarbeit und Arbeitsrecht (Stand: 17.03.2020)

  1. Entgeltfortzahlungsverpflichtung des   Arbeitgebers während behördlich angeordneten Maßnahmen
    • Die „freiwillige“ Freistellung eines Mitarbeiters durch den Arbeitgeber wegen eines Ansteckungsverdachts (z.B. zur Vermeidung der Verbreitung im eigenen Betrieb) lässt den Entgeltanspruch des betroffenen Arbeitnehmers unberührt und der Arbeitgeber hat keinen Ersatzanspruch.
    • Die behördliche Anordnung von Quarantäne oder Beschäftigungsverboten (§§ 30, 31 Infektionsschutzgesetz (IfSG)) lässt grds. den Verdienstanspruch des Arbeitnehmers entfallen; der Arbeitnehmer hat dann einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat aus § 56 IfSG. Bei der Abwicklung dieses Entschädigungsverfahrens ist jedoch der Arbeitgeber für sechs Wochen quasi die Zahlstelle der Entschädigung (dies ist das Nettogehalt des Arbeitnehmers), und der Arbeitgeber kann sich die von ihm gezahlte Entschädigung dann von der zuständigen Behörde (in NRW Landschaftsverband) erstatten lassen. Anträge auf Entschädigung müssen schriftlich innerhalb von drei Monaten nach Ende der Quarantäne beziehungsweise Absonderung beim zuständigen Landschaftsverband gestellt werden.
    • Bei einer tatsächlichen Erkrankung eines Mitarbeiters hat dieser grds. Anspruch auf (bis zu sechswöchige) Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber; wenn dann zusätzlich eine behördliche Quarantäne zu Lasten dieses Arbeitnehmers angeordnet wird, soll dann stattdessen wieder der Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG vorrangig sein.
    • Bei der behördlichen Anordnung der Schließung einer Betriebsstätte zur Abwendung einer im Betrieb selbst begründeten Ansteckungskette ist die Rechtslage nicht eindeutig
      • hier kann sich einerseits das Betriebsrisiko realisieren (mit der Folge der Verdienstfortzahlung aller Mitarbeiter ohne Entschädigungsanspruch) oder es liegt auch hier ein Entschädigungsfall nach § 56 IfSG vor (eine Entschädigung sollte daher immer beantragt werden).
    • Bei den jetzt angeordneten Schul- und Kitaschließungen ist die Rechtslage problematisch. Die Arbeitnehmer sind weder behördlich unter Quarantäne gestellt noch selbst erkrankt. Für kurzzeitige unverschuldete Arbeitsausfälle regelt § 616 BGB, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht entfällt. Dabei sieht § 616 BGB einen „nicht erheblichen Zeitraum“ vor. Was das bedeutet, ist gesetzlich nicht definiert, soll aber wohl in ein Verhältnis von der Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Dauer der Verhinderungszeit gesetzt werden. Der genannte § 616 BGB kann durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung ausgeschlossen sein, so dass für viele Arbeitsverhältnisse der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfällt.
    • Arbeitgeber haben auch die Möglichkeit, die Arbeit von zu Hause aus anzuordnen, da
      • § 106 GewO ein Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des Ortes der Arbeitsleistung vorsieht. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Home-Office Arbeitsplatz ergibt sich hieraus jedoch nicht. Wünscht der Arbeitnehmer dies, ist hierzu dann eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung notwendig.
  1. Kurzarbeitergeld
    1. Gesetzesänderung zum Kurzarbeitergeld
      • Am 13. März 2020 hat der Bundestag eine Gesetzesänderung zum sog. Kurzarbeitergeld beschlossen, um die Möglichkeiten der mittelbaren wirtschaftlichen Betroffenheit der Arbeitgeber abzufangen. Mit der Gesetzesänderung wurden die Leistungen erweitert:
        • Wenn auf Grund schwieriger wirtschaftlicher Entwicklungen Aufträge ausbleiben, kann ein Betrieb Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein könnten (bisher lag die Schwelle bei 30 % der Belegschaft).
        • Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes soll vollständig und teilweise verzichtet werden können
        • Auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können künftig Kurzarbeitergeld beziehen.
        • Bisher mussten Arbeitgeber auch für das wegfallende Bruttoarbeitsentgelt 80% der Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Pflege und Rentenversicherung allein tragen. Diese Verpflichtung fällt nunmehr weg.
  1. Arbeitsrechtliche Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld
    • Grundvoraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass der Arbeitgeber berechtigt war, Kurzarbeit einzuführen und damit den vertraglichen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers zu reduzieren. Die Einführung von Kurzarbeit bzw. die damit verbundene Entgeltkürzung liegt jedoch nicht im Ermessen des Arbeitgebers. Sie bedarf vielmehr einer arbeitsrechtlichen Grundlage, die durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder durch Einzelarbeitsvertrag geregelt sein kann.
    • Bei der Frage, ob die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind, ist die Unterscheidung zwischen Betrieben mit und ohne Betriebsvertretung (Betriebsrat) wichtig.
      • In Betrieben mit Betriebsrat steht diesem ein Mitbestimmungsrecht bei der vorübergehenden Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit zu, sodass sich Arbeitgeber und Betriebsrat – durch förmliche Betriebsvereinbarung – über die Einführung von Kurzarbeit einigen müssen. Gilt ein Tarifvertrag mit entsprechenden Kurzarbeitsregelungen, kann sich die Mitbestimmung des Betriebsrats nur in diesen Schranken bewegen. Das Mitbestimmungsrecht eines Betriebsrats gilt hingegen uneingeschränkt in nicht tarifgebundenen Betrieben.
      • In Betrieben ohne Betriebsrat entfällt eine Mitbestimmung. In diesen Fällen können tarifliche Regelungen die arbeitsrechtliche Grundlage für die Einführung von Kurzarbeit sein. Bestehen keine tariflichen Regelungen, kann der Arbeitgeber die Einführung von Kurzarbeit nur erreichen durch:
        • eine gesonderte Vereinbarung mit den Arbeitnehmern, (der Arbeitnehmer muss also einverstanden sein),
        • eine sog. Änderungskündigung (Kündigung und Angebot eines neuen Arbeitsvertrags mit reduzierter Arbeitszeit unter Fortzahlung des bisherigen Entgelts für die Kündigungsfrist), oder
        • die Nutzung etwaiger Kurzarbeitsklauseln in Einzelarbeitsverträgen.
  1. Anspruchsvoraussetzungen
    • Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld setzt voraus, dass:
      • ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
      • betriebliche Voraussetzungen erfüllt sind,
      • persönliche Voraussetzungen erfüllt sind und
      • der Arbeitsausfall der Arbeitsagentur angezeigt worden ist
    • Dabei ist ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn:
      • er auf wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis (= Coronavirus) beruht,
      • er nur vorübergehend ist,
      • er unvermeidbar ist (der Arbeitgeber muss alle zumutbaren, wirtschaftlich vernünftigen und technisch vertretbaren Maßnahmen unternommen haben, um den Arbeitsausfall zu vermindern oder zu beheben z.B. Urlaub gewähren) und
      • im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) für mindestens 10% der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer mindestens 10 % des ansonsten erzielten Entgelts ausfallen.
    • Kurzarbeitergeld erhalten nur Arbeitnehmer, die in einem im Sinn der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Damit sind geringfügig Beschäftigte nicht vom Kurzarbeitergeld umfasst! Auch Arbeitnehmer in gekündigten oder befristeten Arbeitsverhältnissen haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.
  1. Vorgehen
    • Der Arbeitsausfall ist der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb liegt, schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Die Anzeige kann rechtswirksam nur durch den Arbeitgeber oder durch die Betriebsvertretung erfolgen. Mit der Anzeige hat der Arbeitgeber glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld tatsächlich vorliegen. Dies geschieht im Regelfall durch zusätzliche Unterlagen, wie z.B. die Ankündigung über Kurzarbeit, die Vereinbarung mit der Betriebsvertretung oder den Arbeitnehmern sowie durch Vorlage eines Arbeitsplans, aus dem sich die Verteilung der Arbeitszeit ergibt.
    • Das Gesetz verpflichtet die Arbeitsagentur, dem Anzeigenden unverzüglich einen Bescheid darüber zu erteilen, ob aufgrund der vorgetragenen Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall im Rechtssinn vorliegt und ob die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind.
    • Die Abrechnung des Kurzarbeitergeldes erfolgt über den Arbeitgeber, dieses wird dann durch die Bundesagentur für Arbeit ersetzt. Für die Fragen zur Abrechnung und den Leistungsantrag stellt die Bundesagentur entsprechende Berater nach Eingang der Anzeige über Kurzarbeit zur Verfügung.

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